Die Geister die ich rief
Nachdruck dieser Texte nur mit ausdrücklicher Erlaubnis!
Angesichts der Tatsache, daß sich auch in Teilen der Dark Wave / Gothic-Szene seit einiger Zeit rechtsextreme, nationalistische und neofaschistische Tendenzen breit machen (wie teilweise auch schon bei Ska, Punk, Heavy Metal und Techno) wollen wir - verschiedene Wave/Gothic/EBM und Industrial-DJ's - uns als Teil dieser Szene hiervon öffentlich distanzieren. Gerade weil wir wissen, daß es Quatsch ist, die ganze schwarze Szene als rechts abzustempeln, halten wir es für unabdingbar, sich klar von rechten Strömungen, Bands, Zeitungen und Labels abzugrenzen. Rechtsradikale Bestrebungen innerhalb unserer vielfältigen Sub-Kultur dürfen genauso wenig wie in Politik und Gesellschaft geduldet werden. Wir wollen das Schweigen brechen!
Anlässe gibt es genug:
Im "Independent-Musik Magazin" "Zillo" erschien im Februar 1996 eine Anzeige der rechtsradikalen Zeitung "Junge Freiheit"1. Dies wurde erst durch die Proteste des Hamburger Wave-Labels "Strange Ways" (Goethes Erben und andere Bands) bekannt. Ebenfalls durch die Proteste von "Strange Ways" wurde bekannt, daß sich zudem mit Peter Boßdorf 2 ein ständiger Redakteur der "Jungen Freiheit" und organisierter Neonazi bei der "Zillo" als Autor etabliert hatte. Man muß dem "Zillo" allerdings zugestehen, daß sich dort seit diesen Vorfällen einiges geändert hat.
1996 erschienen im bundesweit vertriebenen Veranstaltungskalender "Black Book" wiederholt Kleinanzeigen der rechtsradikalen Zeitung "Europakreuz", die ihre Bestelladresse nach eigenen Angaben in "Berlin - Preußen" hat! Erst nachdem zahlreiche LeserInnen aus der "schwarzen Szene" dagegen protestiert hatten, entschied sich der Herausgeber zu einer Herausnahme der Anzeigen. Im gleichen Atemzug gibt er allerdings auch bekannt, daß er den Herausgeber des "Europakreuz" persönlich kennt. Dazu Ernst Horn (Deine Lakaien): das ist für mich ganz klar eine neofaschistische Zeitung. Da gibt es für mich gar keine Diskussion." Und Alexander Veljanov (ebenfalls Deine Lakaien): "Das erschreckende ist ihre 'Mailorder'... Was da an Literatur geboten wird ist an der Grenze vorbei. Völlig indiskutabel, eindeutig rechtsradikale Literatur. Wenn da gleichzeitig Platten von uns angeboten werden würden, würde ich mich ganz vehement dagegen wehren. Ich hoffe, daß das auch unsere Kollegen tun werden." (zitiert nach Antifa-INFO-Blatt Nr. 3 5).
Auf dem Platten-Label "Heliocentric", daß von Werner Symanek gegründet wurde, erschien 1996 eine Doppel-CD zu Ehren der Nazi-Filmregisseurin Leni Riefenstahl3 . Auf diesen CDs sind einige Bands aus dem rechtslastigen Teil der Gothic-Szene vertreten: Forthcoming Fire, Strengh Through Joy ("Kraft durch Freude"), Death In June, Allerseelen, Swirling Swastikas ("Wirbelnde Hakenkreuze"), Andromeda Complex, Turbund Sturmwerk, Voxus Imp., Von Thronstahl, Nothwende, Rückgrat, Preussak, Lady Domino, Projekt Blauland und Tombstone. Der Vertrieb dieser CD läuft über Symaneks eigenen Verlag, dem "Verlag & Agentur Werner Symanek" (VAWS) in Bingen. Der VAWS verlegt außer Dark-Wave-CDs rechtsextreme Bücher, zum Beispiel zwei Werke des rechten Anwalts Jürgen Rieger zur Umgehung von Gesetzen gegen Volksverhetzung und rassistische Mordaufrufe, die Tagebücher von Joseph Goebbels und Propaganda gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht". Desweiteren werden seit 1969 die "Unabhängigen Nachrichten" des ultrarechten "Unabhängigen Freundeskreises" im VAWS verlegt. Gegen die "Unabhängigen Nachrichten" laufen seit Jahrzehnten immer wieder Verfahren wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. Mitglieder des Freundeskreises wurden 1994 wegen terroristischer Straftaten (z. B. Bombenattentate auf AntifaschistInnen) verurteilt. Symanek arbeitet auch mit dem rechten Arun-Verlag zusammen, der Bücher aus dem rechten und extrem rechten Spektrum zu "Großdeutschland", sowie heidnisch-esoterische Bücher verlegt. Anläßlich seiner Riefenstahl-CD schwärmte Werner Symanek, man sei in "die rote Hochburg ... Kunst" eingedrungen.
Korrektur zur Originalbroschüre
Die 1980 von Douglas Pearce, Patrick Leagas (alias O'Kill) und Tony Wakeford (auch: Sol Invictus) gegründete "Kult-Band" Death In June bezieht sich in ihrem Namen auf den Todesmonat des SA-Führers Ernst Röhm, welchen Pearce als "sozialistisches" Element im Nationalsozialismus sieht."Auf der Suche nach einer zukünftigen politischen Perspektive stolperten wir über den nationalistischen Bolschewismus, der sich wie ein Leitfaden durch die Hierarchie der SA zog. Leute wie Gregor Strasser und Ernst Röhm4 (...) fielen uns auf. (...) Man kann sich fragen, ob Röhm im Falle eines Sieges über Hitler den 2. Weltkrieg verhindert hätte." (D. Pearce in Zillo 2/92). (Die gleiche These versuchen Neonazis seit Jahren in Zusammenhang mit dem ehemaligen Hitlerstellvertreter Rudolf Heß in der Öffentlichkeit zu lancieren, um ihn als "Friedenskämpfer" darzustellen und den falschen Eindruck zu erwecken, es hätte bei den Nazis auch "gute Strömungen" gegeben.) Death In June veröffentlichten auf ihrer LP "Brown Book" das Horst-Wessel-Lied (Die Hymne des Nationalsozialismus) und auf der CD "Sun Dogs" einen Song mit dem unglaublichen Titel "Rose Clouds Of Holocaust". Bandsymbol ist ein veränderter SS-Totenkopf. Pearce äußert in einem Interview mit der Wave-Zeitung "Glasnost" großes Verständnis für ostdeutsche Pogrome gegenüber "Zigeunern". Während der blutige Krieg im ehemaligen Jugoslawien in vollem Gange war, besuchte Douglas Pearce ein Quartier der faschistischen kroatischen HOS-Miliz (nachzulesen in einem Interview mit der neurechten Zeitung "Sigill" 3/96). Death In June waren - wie ein Plattencover stolz verkündet - die erste britische Band, die in Kroatien aufspielte, seit der völkermordende Balkankrieg begann. Der Erlös der CD "Something Is Coming - Live And Studio Recordings From Croatia" (1993) sollte einer Militärklinik in Kroatien zugute kommen. Die beiden CD's tragen die rot-weiße Nationalfahne von Kroatien. Death In June weigerten sich 1992 beim "Dark X-Mas"-Festival in Hamburg eine von der deutschen DarkWave-Band "Das Ich" verfaßte Erklärung gegen Faschismus und Neonazismus anläßlich der Pogrome in Hoyerswerda zu unterzeichnen, sagten ihren Auftritt ab und spielten statt dessen in Bochum. Laut Aussage von Ernst Horn (Deine Lakaien) weigerte sich Death In June auch 1994 beim "Festival Of Darkness" eine gemeinsame Erklärung der Bands gegen Rassismus und Neonazismus zu unterschreiben. Dadurch war zwar der Auftritt von Death In June geplatzt, nicht jedoch ihr Status als Kult-Band. Patrick O'Kill (ex-Death In June, später Six Comm/Mother Destruction) machte eine Kehrtwende und distanzierte sich inzwischen unter Hinweis auf Rassismus und Intoleranz von der Gruppe. Er gesteht ein, daß das, was mal als Provokation in den "linken 80ern" gedacht war in etwas tatsächlich Negatives umgeschlagen ist. Seine "menschenverachtende Phase" sei Vergangenheit.5
Josef Klumb (alias Jay Kay), Frontmann der Band Forthcoming Fire, ist Mitarbeiter des VAWS-Verlags und pries im Sommer 1995 in einem Interview Jan van Helsing, der die New-Age- und Esoterik-Szene mit Verschwörungstheorien beliefert und grüßt ihn gerne auch mal auf Plattencovern. Van Helsing läßt in seiner antisemitischen Paranoia von den gefälschten "Protokollen der Weisen von Zion"6 bis zum Nazi-Antisemitismus kaum etwas aus. Der zweite Band seines Machwerkes "Geheimgesellschaften" wurde im Februar 1996 in der Schweiz wegen Verstoßes gegen das Anti-Rassismus-Gesetz beschlagnahmt. "Jay Kay" selbst erklärt in einem Interview mit der "Jungen Freiheit" Gothic anmaßenderweise zu einer gewissermaßen "deutschen Musik" (noch nie was vom "Batcave Club" gehört?) und verkündet im Februar 1996 an gleicher Stelle: "Ich glaube an die Lichtgestalt dieser geschändeten Nation". Das war dann auch dem Label der Band "Hyperium & Hypnobeats" zuviel. Das Label sagte sich in einer öffentlichen Erklärung von Forthcoming Fire los und verweigerte eine Vertragsverlängerung.
Allerseelen verwenden auf einem Plattencover ein Mosaik aus der Wewelsburg. Die Wewelsburg war die Ordensburg und Sitz des Ahnenerbes der "Forschungsorganisation" der Waffen-SS! Ihr Frontmann "Kadmon" erklärte auf den Vorwurf, nazistische Symbole zu benutzen, daß das ja wohl auch o.k. sei, "wenn die Demokratie keine schönen Symbole hervorbringt!".
Auf dem Dark Rush III - Festival am 2. 5. 1998 in der "Arena" in Berlin zeigte die italienische Gothic-Band "Kirlian Camera" in ihrer Dia-Show Bilder von Hakenkreuz-Monumenten und Hitlergrüßen und verabschiedete sich mit der neonazistischen Variante des Hitlergrußes.
Bereits seit 1993 erscheint in Dresden die Zeitschrift "Sigill" (Untertitel: "Magazin für die konservative Kulturavantgarde Europas"), die auch in diversen "schwarzen" (Platten-) Läden verkauft wird. "Sigill" ist ein Musikmagazin mit Bezügen zum germanisch-keltischen Heidentum und zu "Neuen Rechten" wie Stefan Ulbrich vom bereits erwähnten Arun-Verlag. In "Sigill" kommt der Kern der rechten Dark-Wave-Szene zu Wort (Death In June, Allerseelen, Radio Werewolf, Blood Axis u.a.). Beim "Internationalen Wave-Gotik- Treffen" 1997 in Leipzig konnte "Sigill" unseres Wissens ohne größere Proteste einen Infostand abhalten, hinter dem sich in khakifarbenen Hemden gekleidete "Jungnazis" postiert hatten.
Was wollen die Nazis eigentlich von uns?
Die wiederholten Versuche, vor allem von Seiten der neurechten Zeitungen "Junge Freiheit" (JF) und "Sigill",in der Dark Wave / Gothic - Szene mit ihren Ideologien Fuß zu fassen, werden erst verständlich, wenn man den ideologischen Hintergrund der "Neuen Rechten" kennt. Ihr strategischer Kopf fürs Bedienen von Jugend- und Musik-Szenen ist der langjährige "Junge Freiheit"-Redakteur und Stipendiat der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Roland Bubik. In der JF machte Bubik zunächst durch seine "mit spätpubertären Ernst-Jünger-Phantasien7 aufgeladene Begeisterung für Techno von sich reden" (SPEX Mai 1996). Sein Traum von "Stahlgewittern als Freizeitspaß" veranlaßte denn auch "Die Woche", den Techno-DJ Westbam gegen ihn antreten zu lassen. Bubik vollzog bald eine Kehrtwendung, da die Techno-Szene wenig geneigt schien, ihn und seinesgleichen als "Führer" anzuerkennen. Daraufhin distanziert sich Bubik von Techno, bezeichnet ihn plötzlich als "seelische Vergewaltigung durch Beat-Computer und Masse." (SPEX Mai 1996). Ein alternatives Schlachtfeld für den Kulturkampf hatte Bubik dann in einem Beitrag zu dem Sammelband "Die selbstbewußte Nation" ausgemacht: die "Gothic Szene". "Da offenbart sich unversehens die Sehnsucht nach dem Mystischen..." Hieran gelte es anzuknüpfen, denn die Rechte stehe "vor einem großen Wagnis: Sie muß sich emotional erfahrbar als die 'Partei des echten Lebens' durch Medienmittel darstellen, die hochgradig artifiziell sind (aus "Die selbstbewußte Nation"). Anläßlich der Verleihung des "Zillo"-Preises an Tilo Wolff (Lacrimosa) veröffentlichte Bubik in der "Jungen Freiheit" eine Reportage, die die Vorhaben der "Neuen Rechten" mit uns klarer verdeutlicht: "Deutschland ist das Zentrum einer Musikkultur geworden, die ihre Wurzeln im antimodernistischen Gestus der 'Gothic-' (gemeinhin auch Gruft-) Szene besitzt. (...) Dieses Gemisch birgt eine Sprengkraft, vor der sich alteingesessene Sittenwächter des Musik-Mainstreams in Acht nehmen müssen. Wenn das Mystische und Irrationale, der Wunsch nach anti-aufklärerischer Innenschau und gelebter Transzendenz ihre Stimme in der Jugendkultur finden, ist der ästhetische Konsens des Westens durchbrochen. Wenn die Bezugspunkte Mittelalter und deutsche Geisteskultur darstellen statt 'Love and Peace', wenn die Seele gegen den Intellekt ins Feld geführt wird - dann schneidet sich ein Keil in das Establishment oberflächlicher Beliebigkeit. Daß derartige Tendenzen immer deutlicher vernehmbar werden, daran hat das 'Zillo' entscheidenden Anteil." ("Junge Freiheit" 4/96)
Filip Dewinter, Fraktionsvorsitzender des rechten Vlaams Blok (Belgien) drückte das in einem Interview mit dem bereits erwähnten Peter-Boßdorf so aus: Auf die Frage nach der kulturellen Strategie der Öffnung des Vlaams Blok "zur modernen Jugendkultur" antwortete er: "Die Jugendkultur als dekadent und verwerflich abzutun, erscheint mir völlig verkehrt. Natürlich gibt es Auswüchse, beispielsweise Drogen, Homo-Ehe und Permissivität (= Freizügigkeit, Anti-Autoritäres). Das bedeutet aber doch nicht, daß man das Kind mit dem Bade ausschütten soll. Wir müssen versuchen, Anschluß an die heutige Jugendkultur zu finden. Wenn es uns nicht gelingen sollte, uns von einem verkrampften Konservatismus loszusagen, der alles, was mit Jugendkultur zu tun hat, von Rock'n'Roll bis Jeans, als 'des duivels' (des Teufels) betrachtet, befürchte ich, daß wir jede Symphatie verlieren werden" ("Junge Freiheit" 35/95).
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, nennt als eine der Ursachen für den erheblichen Anstieg rechtsextremer Gewalttaten die "steigende Attraktivität der einschlägigen Musik" (nach Antifaschistisches Regionalinfo).
Fußnoten
1. Junge Freiheit: rechtsextreme Wochenzeitung der "Neuen Rechten". Sie versucht, die Grenzen zwischen organisierten Neonazis und Konservativen zu überwinden und damit mit ihren politischen Vorstellungen in die "Mitte der Gesellschaft" vorzudringen. Die "Junge Freiheit" wird selbst vom Verfassungsschutz als "rechtsextrem" eingestuft und ihre Lesekreise inklusive geheimdienstlicher Mittel beobachtet.
2. Peter Boßdorf: war bis 1989 stellvertretender Vorsitzender in der offiziellen Studentenvertretung der organisierten Vertriebenen "Ostpolitischer Deutscher Studentenverband" (ODS) (inzwischen GDS - Gesamtdeutscher Studentenverband), 1985 wird er als Mitglied des "Witikobundes" geführt, einer ultrarechten "Plattform" innerhalb der "Sudetendeutschen Landsmannschaft", 1992 wird er Mitglied des neurechten Thule-Seminars. Zeitweise engagiert er sich zudem in der Kommunalpolitik für die"Republikaner" und schreibt für die rechtsradikale Zeitung "Nation und Europa".. Unterhält Kontakte zum rassistischen "Vlaams Blok", einer nationalistisch-separatistischen Partei aus Belgien.
3. Leni Riefenstahl: Nazi-Filmemacherin und - Fotografin. Innerhalb der rechten Szene gilt sie als Avantgardistin der "artgerechten Kunst". Adolf Hitler beauftragte sie persönlich zur filmischen Darstellung seiner Person und der NSDAP-Parteitage. Riefenstahl ästhetisierte Hitler in "Triumph des Willens" über den NSDAP-Parteitag 1934. In den Olympia-Filmen "Fest der Schönheit" und "Fest der Völker" idealisiert sie erneut die "arische Rasse" und Volksgemeinschaft. Die heute 95jährige Riefenstahl hat sich nie klar von ihrer NS-Vergangenheit und ihrem persönlichen Kontakt zu Hitler distanziert.
4. Ernst Röhm: SA-Führer bis Juni 1934. Die SA war verantwortlich für die blutigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern in der Zeit vor dem Nationalsozialismus. Röhm wurde 1934 aus machtpolitischen Gründen von Hitler hingerichtet
5. Nachzulesen in einem Interview mit Patrick O'Kill im Booklet der CD "The Little Death" von Six Comm/Mother Destruction (1994)
6. "Die Protokolle der Weisen von Zion": Der Text geht zurück auf die antimonarchistische Satire "Dialog in der Hölle" des französischen Journalisten Maurice Joly von 1864. Die absolut nicht antisemitische Satire wurde 1896/97 vom russischen Geheimdienst zur folgenreichsten antisemitischen Verschwörungstheorie umgeschrieben. Die gefälschten "Protokolle" enthalten sämtliche bekannten antisemitischen Ressentiments: von einer angeblichen "jüdischen Weltverschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft" über "gekaufte Parlamente und Presse" bis zu "Plänen, die christliche Familie zu vernichten. Zar Nikolaus II. - selbst glühender Antisemit - war zunächst begeistert, ließ die Verbreitung des Textes dann aber verbieten, weil er annahm, daß eine so platte Fälschung für eine antisemitische Kampagne untauglich sei. Doch die Verbreitung der "Protokolle" war nicht mehr aufzuhalten. 1903 erschienen sie erstmals in der Zeitschrift "Snamja" der "Schwarzhundertschaften", einer Bande von erzreaktionären antirevolutionären Terroristen. 1905 wurden sie als "Dokument" in der 2. Auflage des Buches "Das Große im Kleinen" des russischen Mystikers Sergej Nilus abgedruckt. Der amerikanische Autohersteller Henry Ford kaufte eigens eine Zeitung samt Verlag, um die Hetzschrift im englischen Sprachraum bekanntzumachen. In Deutschland sponserte das Haus Hohenzollern Anfang der 20er Jahre die Verbreitung der "Protokolle". Adolf Hitler referierte darüber in "Mein Kampf". In Deutschland wird die Verbreitung der "Protokolle" heute strafrechtlich verfolgt. "Der Text vermeidet es weitgehend, irgendwelche Namen, Orte oder Jahreszahlen zu nennen - auch darum ist er bis heute das Manifest der Antisemiten geblieben, beliebig anwendbar, weil er so beliebig ist." (konkret 7/98). "Hundert Jahre nach ihrer Entstehung sind die "Protokolle" so populär wie nie zuvor" (konkret 8/98).
7. Ernst Jünger (1895 - 1998): Nahm 1914 als Kriegsfreiwilliger am I. Weltkrieg teil. Ab 1925 freier Schriftsteller. Mitarbeiter in Zeitschriften der nationalen Rechten. 1939 wurde er von den Nazis als Hauptmann reaktiviert. 1945-1949 unterlag er einem Publikationsverbot, weil er sich weigerte, den Entnazifizierungs-Fragebogen der Alliierten auszufüllen. Sein berühmtestes Buch ist "In Stahlgewittern - Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers" (1920). Ernst Jünger genießt auch heute noch großes Ansehen in konservativen Kreisen bis hin zu Bundeskanzler Helmut Kohl.
8. London After Midnight: US-amerikanische Tunten-Goth-Band. Ihr Song "Revenge", der mit einem Hitler-Sample beginnt, wurde von manchen fälschlicherweise als nazistisch interpretiert. Laut Auskunft eines Bandmitglieds haben sie sich Hitler herausgesucht, weil er als Sample für ein Song gegen Ignoranz und Vorurteile am geeignetesten erschien, "because he was the biggest asshole we could find". "You cannot judge / what you don't understand / take the blade / from the child's hand... you say a fall from grace would suit me well / well you can crawl straight back to hell! "Der Refrain lautet: "Repense - Remorse - Revenge" (Bereue - Reue - Rache!). LAM beziehen sich auf solche Größen wie die Dead Kennedys, Courtney Love und William S. Burroughs und sind - obwohl sie das - von neofaschistischen Organisationen häufig - benutzte "Keltenkreuz" als Symbol verwenden (wie auch Velvet Undergrounds Nico) - klar in ihrem antifaschistischen Standpunkt.
Quellen:
Antifaschistisches INFOblatt Nr. 35, Juli / August 1996: "Kippen die 'Grufties' nach rechts?" Antifaschistisches Regionalinfo April 98 und zwei weitere Ausgaben Black Book: verschiedene Ausgaben 1996 Glasnost Nr. 37 (Jan./Febr. 1993), zitiert in: Interim Nr. 421, S.22/23 tageszeitung "junge Welt" vom 9.12.96, Artikel über den VAWS-Vertrieb Jungle World Nr. 35 (28.8.97), S. 11: "Riefenstahl neutral - Mit Riefenstahls Ästhetik kämpfen auch Neurechte gegen die Moderne und den 'sinnentleerten Zeitgeist'" Orkus (MusikMagazin) Nr. 5, Mai 1996: Interview mit Sean Brennan von London After Midnight ÖkoLinX 27 Winter/Frühjahr 97/98: "Realo-Kneipe 'Batschkapp' verschafft rechtsextremer Dark-Wave-Band 'Death in June' Auftritt" SPEX Mai 1996: "Aufstand gegen die Moderne" Zillo 2/92: Death In June verschiedene CD's von Death In June, u.a. "The Brown Book", "Sun Dogs", "Something Is Coming" und "The Guilty Have No Past"